§ 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B und § 8 Abs. 3 Satz 1 Variante 1 VOB/B halten nach der Rechtsprechung des BGH einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Konsequenzen für die Praxis.

In seiner Entscheidung vom 19.01.2023 – VII ZR 34/20 hat der BGH entschieden, dass die Kündigungsregelung in § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B, wonach dem Auftragnehmer der Auftrag entzogen werden kann, wenn er während der Ausführung erkannte Mängel trotz Aufforderung unter Fristsetzung nicht beseitigt hat, unwirksam ist. § 4 Abs. 7 VOB/B lautet wie folgt:

„Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, hat der Auftragnehmer auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen. Hat der Auftragnehmer den Mangel oder die Vertragswidrigkeit zu vertreten, so hat er auch den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde (§ 8 Absatz 3).

Konkret begründet der BGH seine Entscheidung damit, dass die Kündigungsregelung in § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B iVm § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B den wesentlichen Grundgedanken einer Kündigung aus wichtigem Grund widerspreche. Nach § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden durch mangelfreie zu ersetzen. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde, § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B. Insbesondere – so der BGH – könne der Auftraggeber damit losgelöst von den Kriterien, die an eine Kündigung aus wichtigem Grund geknüpft sind – wie beispielsweise Art, Umfang und Schwere oder den Auswirkungen – bereits bei Geringfügigkeit von Vertragswidrigkeiten oder Mängeln während der Ausführungsphase kündigen. Damit kann selbst bei unwesentlichen Mängeln, die den Auftraggeber z.B. nach § 640 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, gekündigt werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich insbesondere die Frage, welche Folge die BGH-Entscheidung für die baurechtliche Praxis hat.

Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass Vorstehendes nur gilt, wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist. Sofern die VOB/B als Ganzes in einen Vertrag miteinbezogen wird, gelten die Regelungen anhand derer eine Prüfung, ob eine Regelung unwirksam ist oder nicht, nicht. Der BGH begründet dies damit, dass die VOB/B, welche weder ein Gesetz noch eine Verordnung im Rechtssinne darstellt, sondern lediglich Allgemeine Geschäftsbedingungen sind, im Gegensatz zu anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur die Interessen einer Partei, sondern vielmehr einen Ausgleich der Interessen beider Parteien anstrebe und daher als ausgewogen gilt (BGHZ 86, 135 = 1983, 816). Weiter argumentiert der BGH allerdings, dass aber bereits geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, wonach sich die Wirksamkeit einer Regelung beurteilt, eröffnen (BGHZ 157, 346 = NJW 2004, 1597) mit der Folge, dass § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B iVm § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B unwirksam ist.

Die Entscheidung bestätigt hiermit die Unwirksamkeit einer weiteren Regelung aus der VOB/B. Bereits in der Vergangenheit wurden bereits Regelungen der VOB/B mit der Begründung, sie halten einer Inhaltskontrolle nicht stand, für unwirksam erklärt. In jedem Fall wird man die Kündigungsrechte der VOB/B in Zukunft weiterhin kritisch bewerten müssen.

Nicht auseinandergesetzt hat sich der BGH in seiner Entscheidung hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit von § 4 Abs.7 VOB/B mit dem Thema, dass § 4 Abs. 7 VOB/B dem Wortlaut nach dem Auftraggeber bereits Mängelbeseitigungsrechte zuspricht, obwohl noch gar keine Abnahme stattgefunden hat. Das gesetzliche Werkvertragsvertragsrecht kennt aber eigentlich keine Mängelrechte vor Abnahme. Dies folgt schon aus § 635 Abs. 1 BGB, wonach der Auftraggeber lediglich Nacherfüllungsansprüche hat. In einem Urteil aus dem Jahr 2017 hat sich der BGH hierzu bereits geäußert: „Ob ein Werk mangelhaft ist, beurteilt sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme. Bis zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus §631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, kann das mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein.“ (BGH, Urteil vom 19.1.2017 –VII ZR 301/13 Rn. 32). Auch wenn der BGH hierzu in seinem Urteil vom 19.01.2023 schweigt, dürfte hierin ein weiterer Grund für die Unwirksamkeit dieser Regelung liegen.

Zusammengefasst sollten mit Rücksicht darauf, dass die Regelung in § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B oder aber ähnliche vertragliche Regelungen unserer Erfahrung nach erhebliche Bedeutung in der Baupraxis haben und ein Regelungsbedürfnis für etwaige Mängelrechte vor Abnahme besteht, vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten anderweitig ausgeschöpft werden. Hierfür steht Ihnen unser Team aus dem privaten Baurecht gern zur Verfügung.

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