Auch lediglich mittelbare Folgen der COVID-19-Pandemie und der auf ihr beruhenden staatlichen Maßnahmen sind geeignet, eine Störung der Geschäftsgrundlage zu begründen, die zur Anpassung eines Mietvertrages führen kann

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.02.2022 – 2 U 138/21

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 18. Februar 2022 entschieden, dass nicht nur unmittelbare staatliche Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung der COVID-19-Pandemie einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen, die zu einem Anspruch auf Mietanpassung führen.

Sachverhalt:

Die Beklagte mietete vom Kläger Gewerbeflächen zum Zwecke des Betriebs einer Reinigungsannahme. Wegen der COVID-19-Pandemie wurden am 13. März 2020 bundesweit aufgrund behördlicher Anordnungen eine Großzahl von Einzelhandelsgeschäften sowie Schulen und Kitas geschlossen. Unternehmen und Verwaltungen reduzierten die Präsenzpflicht. In dieser Zeit ließen auch weniger Kunden ihre Kleidung von der Beklagten reinigen, welcher Umstand zu einem deutlichen Umsatzeinbruch der Beklagten führte.

In der Zeit von April bis Juli 2020 zahlte die Beklagte deshalb keine Miete, sondern allein die Betriebskostenvorauszahlungen. Der Kläger begehrte nunmehr die Zahlung der ausstehenden Mieten.

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte der Klage des Klägers stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung verpflichtet.

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt, die allerdings erfolglos blieb.

Gründe:

Die zulässige Berufung blieb im Ergebnis ohne Erfolg. Der Kläger hat auch weiterhin einen Anspruch auf Zahlung der Mieten.

Das OLG bejaht zunächst, dass durch die Folgen der Naturkatastrophe der COVID-19-Pandemie die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages schwerwiegend gestört sei.

Das Ausbleiben der Pandemie sei gemeinsame Vorstellung der Parteien bei Vertragsschluss geworden, die nicht Vertragsinhalt geworden sei, aber auf der sich der Geschäftswille beider Parteien aufgebaut habe. Das OLG ist weiter davon ausgegangen, dass sich die behördlichen Anordnungen auch auf den nicht unmittelbar von staatlichen Schließungsmaßnahmen betroffenen Geschäftsbetrieb der Beklagten ausgewirkt habe. Davon, dass die Parteien einen Vertrag mit anderem Inhalt (Herabsetzen der Miete oder zeitweise Stundung) geschlossen hätten, geht das Gericht aus.

Dennoch könne die Beklagte nicht die Anpassung des Vertrages verlangen, da aufgrund ihres Vortrages nicht festgestellt werden könne, dass ihr das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zuzumuten sei.

Das OLG stellt heraus, dass auch eine Vertragsanpassung in Betracht kommt, wenn lediglich mittelbare Folgen der COVID-19-Pandemie und der darauf beruhenden staatlichen Maßnahmen zum Tragen kommen würden. Die Auswirkungen der Pandemie würden sich nicht nur auf die staatlichen Maßnahmen beschränken. Vielmehr wirke sich die Pandemie auch in einer erheblichen Veränderung des Verhaltens der Bevölkerung aus, die zum Schutz der eigenen Gesundheit geboten, aber lediglich durch behördlichen oder wissenschaftliche Verhaltensempfehlungen veranlasst sei. Eine Unterscheidung zwischen freiwilligem und erzwungenen Verhalten der Bevölkerung sei aber nicht geboten.

Für die Beurteilung einer Störung der Geschäftsgrundlage seien vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Hierfür sei der Vortrag der Beklagten aber nicht ausreichend gewesen. Es fehle Vortrag zu relevanten Umständen wie insbesondere der Kostenstruktur des Geschäftsbetriebs und ihrer Entwicklung, der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten sowie, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe staatliche Hilfeleistungen erhalten wurden oder ein Anspruch auf sie bestanden habe.

Unser Fazit:

Auch bei einer nur mittelbaren Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes des Mieters ist der Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages wegen Wegfall oder Störung der Geschäftsgrundlage möglich. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass auch hier ein hinreichend detaillierter Vortrag zu den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien zur Beurteilung der Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem unveränderten Mietvertrag erbracht wird.

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